Sonderforschungsbereich von der DFG bewilligt – FTMK mit drei Teilprojekten beteiligt

Der neue Sonderforschungsbereich 1482 „Humandifferenzierung" wird ab dem 1. Juli 2021 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. An diesem Forschungsverbund beteiligt sind Teilprojekte aus den Kultur- und Sozialwissenschaften der JGU sowie der Geschichtswissenschaft des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz (IEG). Sprecher des SFB ist Prof. Dr. Stefan Hirschauer (Soziologie).

Im Mittelpunkt des SFB steht die Forschungsfrage, wie Gesellschaften ihre Mitglieder kategorisieren und zuordnen und ihnen damit soziale Zugehörigkeiten und Identitäten nahelegen. Humandifferenzierung meint zunächst die Unterscheidung des Menschen von Tieren und Artefakten wie etwa Robotern, sodann die Einteilung von Menschen in Kategorien und Gruppen wie Ethnien, Nationen, Sprach- und Religionsgemeinschaften und schließlich die Unterscheidung aufgrund von Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Behinderung oder Leistung. Ziel des SFB ist es, eine allgemeine Theorie der Humandifferenzierung zu entwickeln und damit systematisch und historisch die Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen diesen unterschiedlichen Typen der Kategorisierung und Differenzierung zu erforschen.

Das Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft (FTMK) ist mit drei Teilprojekten am SFB beteiligt:

Das theaterwissenschaftlichen Teilprojekt A2 "Disability Performance als Humandifferenzierung: Aufführungen von Devianz und Leistung im historischen Wandel" (Leitung: Prof. Dr. Benjamin Wihstutz, Mitarbeitende: Elena Backhausen, M.A., Mirjam Kreuser, B.A.) befasst sich mit Darbietungen von Leistung und Devianz im historischen Wandel. Im Zentrum des Projekts stehen Disability Performances, die in so unterschiedlichen Rahmungen wie Populärkultur (Sideshows), Sport (Paralympics) oder inklusiven Tanz und Theater auftreten können. Ziel des Projekts ist es, aus der Perspektive historisch vergleichender Performance Studies am Spannungsverhältnis von Leistung und Devianz Dynamiken und Wechselwirkungen performativer Humandifferenzierung zu untersuchen.


Das theaterwissenschaftliche Teilprojekt A5 "Staging Differences. Inszenierungen und Interferenzen von Humandifferenzierungen im Gegenwartstheater" (Leitung: Prof. Dr. Friedemann Kreuder, Mitarbeitende: Yana Prinsloo, M.A., Yael Koutouan, B.A.) beschäftigt sich mit Humandifferenzierung im Rahmen zeitgenössischer, postdramatischer Theaterformen, die selbstreflexiv mit der Theatersituation spielen und sozial experimentieren. In den untersuchten Theaterprojekten und ihren Aufführungen wird eine feldspezifische Rollendifferenzierung (z. B. Zuschauer versus Figur/Darsteller/Rolle) zusammen mit ubiquitären Humandifferenzierungen (z. B. ethnischen, religiösen, nationalen) ins Spiel gebracht und auf diese Weise reflektiert. Das Teilprojekt zielt auf die Wechselwirkungen von gewollt-inszenierten Interventionen und alltäglich mitlaufenden, immer schon vorhandenen Unterscheidungspraxen.


Das medienkulturwissenschaftliche Teilprojekt C4 "Urbane Kontrollregime. Bahnhöfe als Infrastrukturen der Humandifferenzierung" (Leitung: Prof. Dr. Gabriele Schabacher, Mitarbeitende: Sophie Spallinger, M.A. und Tom Ullrich M.A.) untersucht, wie Verkehrsinfrastrukturen Menschen sortieren und klassifizieren. Bahnhofsareale haben als öffentliche Kreuzungspunkte verschiedener Verkehrsströme einen erhöhten Bedarf der Regulierung von Menschenmengen. Auf der Basis einer kulturwissenschaftlichen Infrastrukturanalyse kontrastiert das Projekt die Kontrollregime der Pariser Bahnhöfe im 19. Jahrhundert mit Modellversuchen digitaler Überwachung im 21. Jahrhundert. Leitend ist dabei die Frage, wie Humandifferenzierungen (wie Klasse, Geschlecht, Devianz) sozio-technisch hervorgebracht und operativ stabilisiert werden.